Vielleicht haben manche von Ihnen schon etwas vom „wheelday“ gehört. Bei diesem „Rollstuhl-Tag“ geht es darum, ein eigenes Projekt zum Thema Rollstuhlfahrer zu gestalten. Rein theoretisch kann dies alles sein: Ein Videotagebuch, eine einzige Szene oder eben auch ein schriftlicher Beitrag – was bei mir ja gut gepasst hätte… Dann jedoch sprach Antti mich noch in den Sommerferien darauf an, dass wir einen Film drehen könnten. Wir hatten da schon einmal eine Idee! Doch wie wäre diese umzusetzen? Nun begann eine schier endlos lange Planungsphase: Welche Szenen könnten wir verwenden? Wer würde dafür verantwortlich sein? Und wie lange würden wir dafür brauchen?W
Wir verbrachten unzählige Planungsstunden in den Sommerferien miteinander. Mehrere Male wurden Besprechungen durchgeführt, bis wir uns schließlich mit Aron und Marcel trafen. Wir wollten, dass Marcel als Moderator fungierte und Aron ihn schieben sollte. Ein zweiter Rollstuhlfahrer namens Philipp sollte interviewt werden. Ich meinte jedoch, beide sollten ihre Rollen wechseln. Außerdem versprach Aron als Assistent, er werde sich darum kümmern, dass wir vielleicht sogar im Parlament drehen könnten…Dass es dazu letztlich nicht kam, war nicht weiter schlimm. Jedoch gab es noch einige Unstimmigkeiten zu besprechen. Deshalb klärten wir unsere Differenzen am letzten Dienstag vor dem Dreh in einem Cafe´ bei der Neubaugasse. Wir meinten schließlich, dass auf alle Fälle beide drankommen sollten. Aber zuerst sollte die Geschichte des einen erzählt werden, dann die des anderen. Und wir würden die Interviewszenen mit Alltagsszenen abwechseln, weil nur so der richtige Stil aufrechterhalten werden könne. Die allerletzten Details wurden drei Tage später besprochen, d.h. direkt vor dem Drehtag: Antti hatte Patrick, den Kameramann, hergebracht, welcher noch einmal seine professionelle Hilfe einbrachte. Am nächsten Tag würde also nichts schiefgehen können…
Dachte ich jedenfalls. Am nächsten Tag waren wir zu acht: neben Antti und mir noch Aron, Marcel, Patrick, Philipp, unser Tontechniker Titus und Karlo, ein Klient, der einfach zusehen wollte. Leider gestaltete sich die erste Szene auf der Mariahilfer Straße weitaus schwieriger als erwartet. Wir wollten schließlich zum Haus des Meeres fahren, um dort Näheres zu besprechen. Ich benötigte all meine Überredungskunst, um Aron davon zu überzeugen, gemeinsam mit Karlo und mir zum Bus vorzugehen. Die anderen würden mit ihren beiden Autos nachkommen. Wir hatten nämlich eine Busszene geplant. Als Antti zurückkam und Aron und ich genug im Rahmen der Wien- Wahl über Politik debattiert hatten, verwendete ich wieder meine Referate und Sermons, um mir über unseren nächsten Drehort Gedanken zu machen. Die Busszene sollte aus Zeitmangel bei einer Endstation sein. Burgring? Wegen der Demo keine gute Idee. Anschützgasse? Zu wenig Platz. Heiligenstadt über Pilgramgasse? Warum so weit?
Ich brauchte ewig, um zu erkennen, was zu beweisen war: Der 14 A hatte ja oben seine Endstation! Dort könnten wir drehen. Doch Antti wollte unbedingt auf die Autofahrer unter uns warten. Er war natürlich kein schlechter Regisseur, nur etwas planlos. Als alle anwesend waren, wollten wir jedoch zunächst einmal drauflos mampfen. Es war schon weit nach eins, also höchste Zeit. Also würden wir unter Zeitverzug kommen…Deshalb ließ ich mich auch von einem riesigen Teller Bolognese davon abhalten, mit einer unglaublich hektischen Stimme mögliche Ideen aufzuzählen. Und jeder Satz, der begonnen wurde, wurde unmittelbar von mir unterbrochen. Da platzte dem sonst so friedlichen Aron der Kragen: „Ich steig´ gleich aus! Chill mal, Alter!“. Das versetzte mir einen richtigen Stich. Ich ging aufs Klo, klopfte ein paar Punkte auf meiner Haut und fühlte mich dann ruhig genug, um fortzufahren.
Wir filmten anschließend in der Gasse, wollten aber unbedingt unsere Autobusszene noch fertigstellen. Der Weg zum 14 A wurde aber vom Strom an Demonstranten niedergeschmettert. Bis wir uns da durchgekämpft hatten, waren wir uns schon abhandengekommen. Erst als sich die Menge an Protestierenden und Polizisten durchgekämpft hatte, sah ich meine Leute wieder. Als die Szene fertig war, wollten wir alle gemeinsam zum Kahlenberg. Karlo und ich mussten tatsächlich mit den Öffis fahren, während alle anderen es sich in ihren Autos bequem machten.
Was jedoch unglaublich war: Wir waren schneller am Ziel als beide Autos! Einige Minuten später kamen Titus und Patrick, welche wir jedoch nicht erkannten, da wir ihr Auto nie zu Gesicht bekommen hatten. Und so warteten wir auf den Rest: Doch alle anderen kamen erst eine halbe Stunde später! Wir hatten uns beinahe unsere ganze Haut abgefroren!
Wir drehten schließlich nicht nur Marcel´s Interview, sondern auch lustige „Stunts“ von Aron im Rollstuhl. Und wir entschlossen uns dazu, nicht ganz zum Schluss, sondern schon hier die Verabschiedung zu machen. Doch dies war noch nicht unsere letzte Station: Es ging zum Abschluss noch auf zum Milleniumstower. Karlo kam endlich ins Spiel. Und zwar wörtlich: Er sollte nun am Billardtisch spielen. Vorher wagten Aron und ich noch ein Spielchen. Nun ging es einfach darum, dass jeder am Tisch beteiligt sein sollte. Das Einzige, was mich wirklich in Rage brachte, war der Konsumzwang in dieser Spielhalle. Ich hatte jedoch keine Zeit, mir über den Konsumentenschutz Gedanken zu machen. Antti´ s Überlegung: Noch ein paar Interviewfragen. Doch dies erübrigte sich schnell. Nicht nur die Akkus der Kameras waren leer, sondern auch unser aller Akkus. Ich fuhr so schnell wie möglich nach Hause.
Fazit: 12 Stunden ununterbrochen unterwegs. Einige kleine Eklats, aber wenn man bedenkt, dass wir alle Amateure sind, haben wir uns gut geschlagen. Nun ist der Film fertig entwickelt, alles fertig geschnitten, und hier ist unser Film im Internet veröffentlicht. Und wer weiß: Vielleicht schaffen wir es ja wirklich ins Parlament – zur Preisverleihung.
Matthias Ledoldis
Der Verfasser dieses Texts erhält Freizeitassistenz bei integration wien