Archiv für den Monat: September 2020

Fünf schöne Jahre bei und mit integration wien

Ein Abschlussblog nach 5 ¾ Jahren als Freizeitassistent bei integration wien.

Im Februar 2015 betrat ich zum ersten Mal die Adresse Tannhäuserplatz 2 im 15. Wiener Gemeindebezirk. Grund dafür war ein bevorstehendes, knüppelhartes Vorstellungsgespräch inklusive eines Assessments und einer genauen Überprüfung der Qualifikationen und Kompetenzen bei Frau Glaser. Dieses Prozedere war notwendig, wenn man die noble Arbeit als Freizeitassistent im Projekt Freizeitassistenz beim Verein integration wien antreten wollte.

Wie Sie sich vielleicht denken können, war ich hier nicht gänzlich ehrlich. Das Vorstellungsgespräch – für welches zuvor lediglich ein Lebenslauf zu übermitteln war – war ein angenehmes Gespräch über die Tätigkeiten eines Freizeitassistenten bei integration wien. Wenn man es sich vorstellen konnte mit Menschen zu „arbeiten“ – und mit Arbeit war hier Freizeit zu verbringen gemeint – konnte man die Arbeit annehmen. Wie bei der Arbeit mit Menschen üblich, ist hier natürlich ein sauberes Leumundszeugnis ein großer Vorteil. Dankbar wurde ich also Freizeitassistent.

Vorausgegangen war diesem Gespräch die Suche nach einem Nebenjob für mein Studentendasein. Dieser Job war als geringfügige Tätigkeit konzipiert, was für Studierende perfekt ist. Beim Vorstellungsgespräch wurden noch Termine für die Erstgespräche mit den „KlientInnen“ – die jungen Frauen und Männer, Mädls und Jungs welche dann in der Freizeit begleitet werden – und einem Elternteil oder beiden vereinbart.

Bei diesen Erstgesprächen saßen alle Protagonisten der zukünftigen Freizeitgestaltung an einem Tisch. Assistent (ich), Projektleitung sowie KlientIn und Eltern. Dieses erste Kennenlernen ist meist sehr spannend und auch gewissermaßen aufregend, da es sich natürlich um fremde Personen handelt, mit welchen man in Zukunft so etwas privates wie Freizeit und dabei auch etwas intimes wie Freundschaft aufbauen soll/will/darf. Weiters sind die Eltern dabei, welche sich naturgemäß genau anschauen wollen, welche AssistentInnen ihren Sprösslingen zugeteilt werden. Das erste Treffen ist des Weiteren auch insofern von Interesse, da es ja meist einen Grund gibt, warum die jungen Leute Assistenz in der Freizeit benötigen – würden sie das nicht, hätten sie auch keinen Zugang zu diesem Projekt (obwohl die „Kriterien“ hier eher niederschwellig sind). Meist machen es ihnen die Umstände der Organisation des Lebens und der Gesellschaft in Wien schwerer mit ihren subjektiven Bedürfnissen und Befähigungen allein eine qualitativ hochwertige Freizeit zu genießen.

Es ist des Weiteren meine Beobachtung, dass die beste und hochwertigste Art der Freizeit die ungeplante oder locker geplante Freizeit ist (dies trifft natürlich nicht pauschal auf alle Menschen zu). Das hat den einfachen Grund, dass das Leben – im Sinne des alltäglichen Lebens – meistens gut durchgeplant ist. Dies gilt besonders für Menschen mit einem erhöhten Bedarf an Unterstützung. Hier ist oftmals nach dem Besuch der Schule oder Werkstätte auch der weitere Tagesablauf durchgeplant. Ohne dies bewerten zu wollen, finde ich es hier naheliegend das Freizeitangebot daraufhin „frei von der Leber weg“ zu gestalten.

So traf ich also meine ersten beiden Klienten zum ersten Kennenlernen. Diese Gespräche dauern in der Regel bis zu einer Stunde und das Ergebnis sind meist gesammelte Interessen der Assistenz-Paare sowie ein erster Termin für ein Treffen. Bei der – in den letzten fünf Jahren doch recht häufig vorgekommenen – Erörterung meiner nebenberuflichen Tätigkeit kam dann meist recht schnell die Frage nach Qualifikationen oder Ausbildung für diesen Beruf. Zur oftmals großen Verwunderung der Gesprächspartner war und ist die Antwort, dass keine spezielle Qualifikation vonnöten ist. Dieser „unprofessionelle“ Zugang ermöglicht es allerdings die Qualität der gemeinsamen Freizeit zu erhöhen, da das Setting kein institutionelles ist. Einschlägige Qualifikationen oder Erfahrungen sind aber natürlich nicht von Nachteil. So gesehen ist beinahe die einzige Vorgabe für die Freizeit die, eine schöne zu verbringen (und dabei vielleicht nicht Unmengen an Geld auszugeben).

Klingt das nicht toll? Ja, klingt es und ist es auch. Ich für meinen Teil hatte fünf ¾ sehr abwechslungsreiche, schöne und lehrreiche Jahre bei integration wien. Dabei durfte ich sechs junge Männer in ihrer Freizeit begleiten.

Obwohl – wie schon erwähnt – keine expliziten Kompetenzen für die Ausübung dieser Tätigkeit nötig waren, erwarb man bei dieser Tätigkeit und dem vom Verein angebotenen Begleitprogramm so einiges an Kompetenzen und auch Fachwissen. Hierfür wurden Weiterbildungen in Form von Seminaren, Coachings und auch Outdoor-Trainings angeboten. Der Schwerpunkt lag hierbei auf den Themen Teambuilding, Perspektivenwechsel, Kommunikation und Lebenswelten.

An ein Seminar aus dem Jahr 2016 kann ich mich hierbei noch genau erinnern. Der Titel des Seminares war Doppeldiagnosen und die Leitung hatte eine ältere Frau inne, welche als Psychiaterin und Psychotherapeutin gearbeitet hatte. Die Quintessenz dieses achtstündigen Seminares war, dass sie in ihrer beruflichen Laufbahn sehr viele Erkrankungen, denen sie begegnet ist, irgendwie auf eine – meist sehr subtile – Form der Angst zurückführen konnte. Dies klingt hier fürs erste sehr allgemein. Sie unterfütterte ihre Aussage allerdings mit einer Vielzahl an dazu passenden Geschichten und Fällen und machte das Ganze sehr glaubhaft. Das beeindruckte mich sehr. Es machte – auch wenn dies natürlich nicht auf alle Fälle gleichermaßen angewandt werden kann – das Thema psychische Erkrankung irgendwie „greifbarer“. Durch die Aktivitäten im Zuge der Freizeitassistenz können hierbei – auch spielerisch – neue Dinge erprobt werden sowie unbekannte Tätigkeiten und Abläufe ausprobiert und erforscht werden. Somit wird hier das Entstehen von Ängsten, welche auch dadurch entstehen können, dass viele Tätigkeiten und Bereiche in einer Stadt wie Wien auch einfach unbekannt sind und vorher durch ein gewisses Maß an Behütung auch nicht zugänglich gewesen wären, verhindert. Dies ist allerdings nicht das Ziel der Freizeitassistenz, es passiert eher „von selbst“. Ziel der Freizeitassistenz ist „einfach“ nur das Verbringen einer möglichst schönen und qualitätsvollen Freizeit.

Der Zielkonflikt, dass es sich bei dieser Freizeit aber auch um bezahlte Arbeit der AssistentInnen handelt, wird zwar immer vorhanden sein, aber die Erfahrung hat gezeigt, dass die meisten NutzerInnen der Freizeitassistenz darauf keinen Wert legen, oder, dass sie das nicht als sonderlich schlimm empfinden. Besonders nicht, wenn nach dem Ende der Assistenz eine gewisse Nachhaltigkeit – um nicht „Mehrwert“ sagen zu müssen – überbleibt. Diese Nachhaltigkeit kann allein schon darin bestehen, dass durch die gemeinsamen Tätigkeiten Horizonte erweitert werden können und Grenzen verschoben werden können. Wenn dadurch ein Gefühl der Selbstwirksamkeit oder der Selbstermächtigung entsteht, dann ist das schon mehr als man sich wünschen könnte.

Ein Bericht von Max Schauer, Freizeitassistent bei integration wien

Wenn die Hände zu Wort kommen

Ende September wurde von der Freizeitassistenz gemeinsam mit dem Verein Kinderhände und dem ÖHTB ein Kurs für Gebärdensprache angeboten. Schließlich fanden sich 8 InteressentInnen, die das Angebot nutzen durften – egal ob mit oder ohne Vorkenntnisse.

Ich selbst war komplette Anfängerin. Aber Severin kannte davor schon ein paar Gebärden und zeigte mir diese. Allerdings sollten wir an diesem Nachmittag den Gebärden-Wortschatz noch ordentlich erweitern.

Bei Regen suchten und fanden wir den Ort und wurden sogleich herzlich von den beiden Kursleiterinnen in einem warmen Raum empfangen. Die Kursleiterinnen drückten sich durchgehend in Gebärdensprache (und Lautsprache) aus und übersetzten einander, wodurch ein lebendiger Eindruck entstand.

Zuallererst gab es eine Vorstellungsrunde, in der versucht werden sollte, den eigenen Namen zu gebärden – Buchstabe für Buchstabe. Danach erfuhren wir, dass es in der Community üblich ist, eine Gebärde für den Namen zugeteilt zu bekommen oder sich eine eigene Gebärde für den Namen zu überlegen. Bei Severin diente beispielsweise eine Trompete als Inspiration. Bei Alyssa hingegen ihre blauen Augen. Hauptsache etwas, das mit der eigenen Person in Verbindung steht. Somit erfuhren alle Anwesenden zu Beginn eine Art Namenstaufe. Anschließend führten wir in Zweiergruppen kurze Dialoge, in denen es um Begrüßung und Vorstellung (mit Gebärdenname) ging.

Weiter ging es dann mit einem Gebärden-Lied zum Aufwärmen der Hände: „Hallo, Hallo ich bin da … und du bist da … und du bist da …“.  Auf Gebärdensprache zu singen bedeutet, sich mit dem Körper je nach Lied mitzubewegen. Man steht zumindest nicht bewegungslos da. Danach gingen wir gemeinsam einige grundlegende Alltagsgebärden durch. Severin und Vio brachten beide ein gewisses Vorwissen mit und kannten deshalb schon ein paar Gebärden.

Danach tauchten wir in die Tierwelt ein. Dazu musste jede/r mit geschlossenen Augen eine zufällige Tierfigur aus einer Box ziehen: Hase, Hund, Giraffe, Kuh, Pferd, Pinguin, Schwein, Schildkröte, Schaf. Vieles war mit dabei. Durch die Frage nach Lieblingstieren erweiterte sich die Bandbreite der Tiere noch weiter. So lernten wir außerdem die Gebärden für Frosch, Oktopus, Qualle und Fisch.

Von der Tierwelt gelangten wir in die Genusswelt, denn eine Pause muss sein 🙂 . Ein paar Apfelspalten, Biskotten und Solettis später waren wir mit dem Kurs beim Thema Lebensmittel angelangt. Jede/r bekam zu zweit ein Sackerl, in dem verschiedene Spiellebensmittel aus Holz waren. Ähnlich wie bei den Lieblingstieren zuvor, ging es diesmal um die persönlichen Leibspeisen. Dadurch entstanden Gebärden, wie „Mein Lieblingsessen ist (klassisch) Wiener Schnitzel“. Aber auch Spaghetti Carbonara, Schweinsbraten, Pizza, Pudding und indisch zählten mit dazu.  

Abschließend wurde nochmals ein Lied angestimmt, für das wir in der Gruppe zuvor noch einige Gebärden für Farben lernten. Diesmal ein anderer Klassiker aus früheren Zeiten. Man benötigt zum Singen dieses Lieds nur eine Farbe und einen Beruf, der zu der Farbe passt und schon man kann der Kreativität freien Lauf lassen. Das funktionierte zum Beispiel prima mit „Rot + Weihnachtsmann“, „Grün + Gärtner“ oder „Orange + Müllfrau“.  Nach 3 Stunden voller Lernmomente, Motivation und Spaß kam der Kurs leider an sein Ende. Gleichzeitig lag darin aber auch der Beginn von mehr Mitteilungsmöglichkeiten 🙂 .

Ein Bericht von Gudrun Bumberger, Freizeitassistentin bei integration wien

Grillfest der Freizeitassistenz

Dieses Jahr haben wir bei integration wien wieder zum Grillfest der Freizeitassistenz gerufen und da wir trotz Mitte September uns an sommerlichem Wetter erfreuen durften, war alles vorbereitet für einen schönen Nachmittag. Ein bisschen außerhalb an der Donauinsel stand uns der Grillplatz 16 zur Verfügung und wir hatten alles eingepackt was von Nöten war um es uns gut gehen zu lassen. Jeder hatte sein eigenes Essen dabei und sobald der Grill lief, standen Max und Sofia als Grillmeister parat um jedem seine Wünsche erfüllen zu können.

Für Musik war auch gesorgt und rund um uns herum herrschte ein buntes Treiben. Die einen spielten Federball, andere hatten das obligatorische Uno Spiel ausgepackt und jeder machte das, wozu er gerade Lust hatte. Jeder freute sich alte Bekannte wiederzutreffen oder die Möglichkeit zu haben, wen neues kennenlernen zu können.

Aber wie es nun mal ist, wenn man Spaß hat vergeht die Zeit viel zu schnell und bevor man sich versieht verschwindet die Sonne hinterm Horizont. Die Mücken erobern sich ihr Gebiet allmählich für die Nacht zurück und wir fangen an alles zusammenzupacken.

Um diesen schönen Tag besser in Erinnerung halten zu können durfte ein Gruppenfoto nicht fehlen.

Aber jeder der dieses Jahr dabei war wird sich schon auf nächstes Jahr freuen, wenn wir wieder unser alljährliches Grillfest veranstalten und auch neue Gesichter sind immer herzlich Willkommen. Ich werde jedenfalls sicher wieder dort sein.

Schöne Grüße an alle die dort waren und alle die diesen Text lesen und gerne dabei gewesen wären. Euer Simon

Ein Bericht von Simon Kovacic, Freizeitassistent bei integration wien