Es schien ein Tag zu werden wie jeder andere, doch Michael und Lorenz hatten an diesem Samstag Großes vor. Sie wollten etwas machen, das sie sich schon seit geraumer Zeit vorgenommen hatten: die Besteigung des Kahlenbergs. Beide hatten von Expeditionen gehört, die es geschafft hatten; ihnen war jedoch auch zu Ohren gekommen, dass es welche gab, die umkehren mussten.
Wie immer trafen sich die beiden um 13:00 Uhr bei der U-Bahn-Station Längenfeldgasse. Es war ein sonniger Nachmittag, kaum ein Windhauch war zu vernehmen. Sie besprachen die Ausgangslage und machten sich auf den Weg ins Basiscamp – es war dies die Endstation der D-Straßenbahn. Sie machten jedoch, wie so viele vor ihnen, den Fehler, dass sie bei der vorletzten und nicht letzten Station ausstiegen, wodurch sie zehn Minuten mehr einplanen mussten als ursprünglich gedacht. Da sie jedoch beide flexibel sind, stellte diese ungeplante Veränderung kein allzu großes Problem dar.
Nachdem sie am Beginn des Pfades angelangt waren, machten sie Inventar über die von Ihnen mitgebrachten Utensilien: Der Fokus lag dabei auf der Überprüfung, ob genug Essen und Trinken mitgenommen worden war.
Sie waren bereit und begannen den ersten Abschnitt ihrer Tour. Die Sonne wärmte ihnen den Rücken und bald wurde beiden klar, dass sie sich zu viel Kleidung angezogen hatte. Mütze, Jacke und Handschuhe wurden in den Rucksack verfrachtet, um das Gehen zu erleichtern.
Der Weg, den sie gingen, war ein allseits bekannter. Die Art und Weise, wie sie gingen, war jedoch ungewöhnlich, denn sie waren derart schnell unterwegs, dass ihnen die anderen BerggeherInnen regelrecht als Hindernisse erschienen. Sie gingen an schönen kleinen Einfamilienhäusern vorbei und erzählten sich, wie es ihnen diese Woche ergangen war und was ihr Lieblingsessen gewesen war. Dass das Gespräch auf das Thema Essen übergeleitet wurde, kam nicht von ungefähr. Es war das unbewusste Verlangen nach Essen, doch beide wussten, dass es noch ein wenig dauern würde, bis sie etwas zu essen bekommen würden. Trinkpausen wurden immer wieder eingelegt.
Sie ließen von dem Thema ab und kamen an einem Garten vorbei, in welchem unterschiedlichste Skulpturen standen. Es schien ein Labyrinth der Kreativität zu sein, in welchem sich sowohl die Gedanken von Michael wie auch von Lorenz zu verirren drohten. Nachdem sie sich befreit hatten, ging es weiter; vorbei an beinahe schon kitschig erscheinenden Weinbergen, hinein in Wald. Es schien, als wollte sie der Wald betören, als sich ihnen der Geruch nach Holz und Laub aufdrängte. Sie hatten in der Zwischenzeit einen Großteil des Weges hinter sich.
Nun stand ihnen noch das anstrengendste Stück bevor: Es war dies der Aufstieg zum Kahlenberg über das steile Waldstück. Doch als ob nichts wäre, gingen sie in demselben Rhythmus weiter und durchquerten diese, im BergsteigerInnen-Jargon würde man sagen, Schlussstelle in zwanzig Minuten. Sie brachten noch die letzten Meter über die asphaltierte Straße hinter sich und kamen sichtlich erschöpft aber zufrieden ans Ziel. Sie gingen zur Aussichtsplattform und versuchten sich gegenseitig weiszumachen, wo der Stephansdom sein würde – ob einer der beiden ihn gefunden hat, bleibt ein Geheimnis.
Nachdem sie den Ausblick genossen hatten, setzten sie sich auf eine Bank und nahmen die mehr als verdiente Jause zu sich. Die Freude stand beiden ins Gesicht geschrieben. Nachdem sie gegessen hatten, ruhten sie sich eine halbe Stunde aus. In kürzester Zeit veränderte sich ihre Gesichtsfarbe. Die Haut, welche im Winter von der Sonne vernachlässigt worden war, tankte sichtbar erleichtert die Sonnenstrahlen und strotze vor Energie und Freude.
Nachdem sich Michael und Lorenz ausgeruht hatten, machten sie sich auf den Rückweg. Zügig gingen sie den Berg hinunter, zurück ins Basislager. Sowie ExtrembergsteigerInnen nach einer Expedition in ein Flugzeug Richtung Heimat steigen, setzten sich Lorenz und Michael in den D-Wagen; sichtlich erschöpft jedoch froh darüber dieses Abenteuer gewagt zu haben.
Ein Beitrag von Lorenz Mölgg, Freizeitassistent bei integration wien